Es ist schon viele Jahrzehnte her, wo Winzer von Dorf zu Dorf gezogen sind, um ihren Kollegen bei der Rebenveredelung unter die Arme zu greifen. Damals traf sich beispielsweise auch die Dorfgemeinschaft, um die Veredelung in mühsamer Handarbeit (Zungenschnitt) zu bewerkstelligen, erinnert sich Klaus Grün. Einer half dabei dem anderen.
Heute ist es natürlich anders. Etwa 22 Rebenveredler gibt es derzeit im Gebiet Baden. Erika und Klaus Grün gehören dazu. Ihr Unternehmen befindet sich mitten in den Reben in Bötzingen. Gegenseitig ausgeholfen wird sich auch heute noch. Eine Rebenbörse ermöglicht den Austausch von Pfropfreben. Was der eine nicht hat, kann der andere besorgen oder erübrigen.
Vom einfachen Handwerk zum modernen Betrieb
Damals hatten sie noch einen Mischbetrieb, erzählt Klaus Grün. Kühe und Schweine haben die Familie versorgt. Melken hat er auch noch gelernt. Sein Vater bewirtschaftete aber auch schon Reben. 1968 erlernte er das Handwerk der Rebenveredelung. Dann ergab eins das andere. Maschinen kamen hinzu, wurden mit der Zeit wiederum von moderneren abgelöst.
Klaus Grün ist der jüngste Spross der Familie. Winzer und Rebenveredler waren schon immer sein erklärtes Berufsziel. In die Fußstapfen des Vaters treten. Kein Wunder, dass er sich, gemeinsam mit seiner Frau, hier bereits einen Namen erarbeitet hat. Auch Erika kommt aus einer Winzerfamilie. Die Ausbildung und die ersten Berufsjahre waren jedoch vollkommen andere. Bis sie ihren Mann Klaus kennengelernt hat. Draußen zu arbeiten liegt ihr nämlich schon immer. Also fiel die Entscheidung auch nicht schwer, gemeinsam den Winzer- und Rebenveredlungsbetrieb zu führen. Aber wenn, dann richtig. So bauten sie im Jahre 2008 einen komplett neuen Hof mit Betriebsteil mitten in den Bötzinger Reben.
Mit Wurzelstock und Edelreiser zur fertigen Rebenpflanze
Die Arbeit der beiden ist eine komplexe Sache. Ziel ist es, eine reblausfeste Unterlage (Amerikanerrebe) und eine reblausfeste Sorte (Europäerrebe) durch den sogenannten Omegaschnitt zusammenzupfropfen. So entsteht eine reblausfeste Pfropfrebe.
Aber so einfach und so schnell geht es dann doch nicht. Im Januar / Februar beginnen die Vorarbeiten. Hier werden Unterlage und Edelreiser zugeschnitten. Im März / April startet die Veredelung. Anschließend wird das Ganze in Kisten mit Tannensägemehl verpackt und in ein Gewächshaus zum Vortreiben gestellt. Ab dem 15. Mai, nach den Eisheiligen, werden die veredelten Stämme eingeschult.
Das Saatbeet wird bereits zwei bis drei Wochen zuvor für die Pflanzung mit einer Folie gerichtet. Die Stämme brauchen lediglich in die vorgestanzten Löcher gesteckt werden. Unkraut und Gras spielen somit keine Rolle. Etwa 16 Reben wachsen hier pro Meter. Sie sollen nun eine Wurzel ausbilden. Bis zum Blattfall, also etwa Mitte November, bleiben die Rebenpflanzen hier. Natürlich ist eine ständige Kontrolle notwendig, gerade in den Sommermonaten. Durch eine gesteuerte Tropfenbewässerung kann gewährleistet werden, dass die jungen Triebe ausreichend versorgt sind.
Im Spätherbst werden die Reben mittels eines Pfluges ausgeschult. Nun muss bei jeder einzelnen kontrolliert werden, ob sich die Wurzeln perfekt entwickelt haben und ob der Gallus unbeschädigt ist. Alle vertriebsfähigen und gesunden Pflanzen werden nun noch einmal paraffiniert und bis zur Pflanzung entsprechend gelagert.
Die Rebenveredelung passiert jedoch nicht im stillen Kämmerchen, so Klaus Grün. Vielmehr steht sie unter höchst offizieller Kontrolle. Alles wird genau dokumentiert, muss mittels einer Prüfnummer nachvollziehbar sein. Pflanzenpass und Etiketten geben über alle einzelnen Schritte Auskunft, ob es sich hierbei um zertifiziertes Pflanzgut handelt. Auch in diesem Metier fallen, wie soll es anders sein, Züchtergebühren an.
Mit Leidenschaft, Sympathie und Überzeugung
Erika und Klaus Grün lassen sich davon aber nicht abschrecken. Sie sind in ihrem Element. Das ist ihre Welt. Ihre Arbeitszeit steckt je zur Hälfte in den eigenen Reben und in der Rebenveredelung. 5-10% gehören der Schnapsbrennerei. Ebenfalls eine Passion des Winzers.
Für einen Hektar Rebfläche benötigt man 4.500 bis 5.000 Setzlinge, so der Rebenveredler. Er produziert für etwa zehn Hektar Setzlinge pro Jahr. Das sind an die 50.000 Reben. Hinzu kommen 4-5% Nachpflanzungen. Und, um auf dieses Endresultat zu kommen, müssen beim Anwuchs mit etwa 30% Ausfall gerechnet werden. Die kommen nochmal obendrauf. Eine ordentliche Leistung. Und alles neben dem eigenen Winzerbetrieb. Aber mit sehr viel Leidenschaft, Sympathie und Überzeugung.