Piwi ist die Abkürzung für „pilzwiderstandsfähig“ und steht im Weinbau für Rebsorten, die beinahe resistent gegen gängige Rebenschädlinge sind, insbesondere den echten und falschen Mehltau. Sie entstehen durch die klassische Kreuzung aus amerikanischen Unterlagen, die eine natürliche Resistenz besitzen, mit deutschen, ebenfalls resistenten Edeleisern, die zusätzlich hohe Weinqualitäten mitbringen.
Der Vorteil: Winzer können den Pflanzenschutz bei den Piwis um bis zu 80% reduzieren. Zusätzlich kann aufgrund der weniger Fahrten im Weinberg der CO2-Ausstoß verringert werden. Ein Plus für Mensch und Umwelt. Sowie eine Zeit- und Kostenersparnis für den Winzer.
Darüber hinaus öffnen sich neue Wege, um den Herausforderungen des stetig zunehmenden Klimawandels entgegenzutreten. Aber auch zur Erhaltung von Steil- und Terrassenlagen, die die Landschaft des Kaiserstuhls prägen, beizutragen.
Für den Weinkenner erschließen sich mit den neuen Sorten eine ungeahnte Genussvielfalt sowie völlig neue und innovative Weinstile. Zudem unterstützt er den Winzer in seiner nachhaltigen und umweltschonenden Wirtschaftsweise.
Mit jedem Jahr wächst in Deutschland die Anbaufläche von pilzwiderstandsfähigen Rebsorten. So auch in Bötzingen. Zwei Winzer sind dabei Vorreiter, die bereits in diesem Jahr ihre ersten Piwis gepflanzt haben. Ein weiterer steht in den Startlöchern.
Für Winzer Florian Höfflin standen die Themen „Boden“ und „Nachhaltigkeit“ schon immer im Vordergrund
Und auch Piwis tauchten in diesem Zusammenhang immer wieder auf. Vor etwa 1,5 Jahren meldete Florian Höfflin bei der Rebenveredelung von Erika und Klaus Grün in Bötzingen sein Interesse an. Die gewünschte Menge an Rebstöcken wurde veredelt, konnte aussprießen, bildete über mehrere Monate in der Rebschule Wurzeln aus, wurde anschließend nochmal aussortiert und paraffiniert. Und wartete nun auf die Einpflanzung auf die dafür vorgesehene Rebfläche.
Auf etwa einem halben Hektar pflanzte der Winzer am 14. April seine Piwis ein. Ein Weißwein, Souvignier Gris. 2023 wird es die erste kleine Ernte geben. Im darauffolgenden Jahr sollte sie dann schon etwas größer ausfallen.
Florian Höfflin freut sich, dass er hier als Pionier in Bötzingen vorangeht. Das spart nicht nur Arbeit, sondern fördert darüber hinaus die nachhaltige Bewirtschaftung im Weinbau. Das Thema, das ihn schon immer umgetrieben hat.
Winzer Tobias Diehr liebäugelt schon länger mit den widerstandsfähigen Rebsorten
Aber bisher, so der Winzer, war kein Markt dafür da. Einfach keine Nachfrage. Bis die Winzergenossenschaft bei ihm angefragt hat, ob er sich vorstellen könnte, hier aktiv zu werden. Da gab es kein Überlegen für Tobias Diehr. Er führt seinen Betrieb schon immer vorausschauend. Und liebt alles Neue.
Die Rebsorte suchte sich der Winzer selbst aus. Und entschied sich für den Souvignier Gris. Die Pflanze und die Trauben hat er sich im Vorfeld ganz genau angeschaut – und war begeistert. Zudem ließ er es sich nicht nehmen, reinen Wein aus dieser Sorte zu verkosten. Auch hier war er positiv überrascht. Der Tropfen erinnert ihn an Grauburgunder. Souvignier Gris überzeugte also von Anfang an. Zudem wächst die Pflanze sehr gerade, was das Reinflechten erleichtert. Und liefert eine große Menge an Trauben.
Das heißt insgesamt weniger Arbeit, weniger Betriebskosten und höhere Nachhaltigkeit. Für die Zukunft super, so Tobias Diehr. Am 26. April 2022 hat er seine Piwis gepflanzt. Und dabei geklotzt und nicht gekleckert. Wenn schon, dann richtig, freut sich der Winzer.
Für Winzer Samuel Lay geht Nachhaltigkeit nur über die Piwis
Die jungen Reben von Samuel Lay wurden bereits im vergangenen Winter veredelt. Nun werden sie in der Bötzinger Rebschule eingeschult, um Wurzeln zu bilden. Im Frühjahr 2023 ist die Einpflanzung im Rebberg vorgesehen.
Der Winzer hat sich für die Sorte Sauvitage entschieden. Diese entstammt einer Kreuzung der Elternsorten FR 147-66 und We 75-34-13. Letztere ist eine Kreuzung von Sauvignon blanc, Riesling und der asiatischen Rebe Vitis amurensis. Diese besitzt eine hohe Frostfestigkeit, eine sehr hohe Peronospora-Resistenz (falscher Mehltau) und begünstigt den lockeren Traubenaufbau.
Das gesamte Weinpotenzial von Sauvitage wird sich mit der Zeit zeigen. Es fehlen einfach noch die Erfahrungen mit der neuen Sorte. Fakt ist jedoch: Sauvitage bringt elegante Weine hervor, die die trendigen Eigenschaften der Elternsorten Sauvignon blanc, Grauburgunder und Riesling vereint.
Ob sich diese Art von nachhaltiger Bewirtschaftung in Zukunft durchsetzen wird, so Samuel Lay, ist im Wesentlichen vom Kaufverhalten der Weintrinker abhängig. Allerding kann nur durch den Anbau von Piwis eine Nachhaltigkeit im Weinbau herbeigeführt werden. Es ist auf jeden Fall wert, diesen Versuch zu wagen. Alles andere wird sich zeigen.