Winzer Markus Kanzinger war schon ein bisschen sauer. Mit seiner Maschine in den Reben unterwegs, stand er unter Zeitdruck. Ausgerechnet jetzt versperrte ihm ein Auto die Weiterfahrt auf seinem Rebenstück. Also musste er sich auf die Suche nach dem „Übeltäter“ machen. Diesen hatte er auch bald gefunden. Doch statt sich mit ihm auseinander zu setzen, wurde er eingeladen, an einer Vogelberingung teilzunehmen. Markus war ganz gefangen in dem, was er beobachtete. Er konnte sogar für einige Minuten entschleunigen und den Alltag vergessen.
Vogelschützerin Bettina Maier war gerade dabei, junge Wiedehopfe aus den bei den Reben angebrachten Brutkästen zu beringen. In vollkommener Ruhe, in die Arbeit vertieft, absolut eins mit diesen wunderbaren Tieren. Markus erfuhr so einiges über diese seltenen Vögel. Mit einer gewissen Faszination im Gepäck konnte er bald seine Rebenarbeiten fortsetzen.
Frau Maier versprach, sich noch einmal zu melden, wenn die nächste Beringung ansteht, damit auch seine Familie bei einer Beringung dabei sein kann. Und was Doro Kanzinger und ihre drei Kids dort erleben durften, macht die vier noch heute sprachlos. Ein Wunder der Natur, ein einmaliges Erlebnis. Es waren insgesamt nur ein paar Minuten, in denen sie mit dabei sein durften, aber unvergessliche.
Viele interessante Informationen erfuhren sie in diesem Zeitraum über den Wiedehopf. Und auch, dass er Vogel des Jahres 2022 ist. Was für ein Zufall!
Wissenswertes über einen faszinierenden Besucher des Kaiserstuhls
Der auffällige Wiedehopf ist unverwechselbar. Mit seinem etwa 6 cm langen Schnabel und den orangen Scheitelfedern mit den schwarzen Punkten, die er bei Erregung aufrichtet, ist er ein echter Hingucker. Er liebt warme Regionen, weshalb er nur in bestimmten Regionen in Deutschland, wie zum Beispiel im Kaiserstuhl, vorkommt. Hier macht er aber nur zum Brüten Halt. Als Zugvogel verbringt er den Winter in Afrika. Dabei legt er insgesamt übrigens ganze 8.000 km zurück.
Seine Beute jagt der Wiedehopf am Boden. Dafür benötigt er eine lockere Vegetationsdecke, auf der er gut landen kann. Das Winzerpaar Kanzinger hat den Vögeln ein optimales Jagdrevier geschaffen, ohne sich dessen bewusst zu sein. Um eine Fahrgasse für die Maschinen zwischen den Reben bei trockenem und nassem Wetter zu ermöglichen, wurde nur jede zweite Reihe ausgesät. Somit findet man in den Reben abwechselnd Bewuchs mit insektenfreundlichen Pflanzen sowie kahlen Boden. Und genau diesen Boden braucht der Wiedehopf für die Nahrungssuche, klärt Vogelschützerin Bettina Maier auf. Ein optimales Futterrevier für die auffälligen, etwa 26-29 cm großen Vögel. In erster Linie ernähren sie sich von größeren Insekten und deren Larven. Der Wiedehopf frisst gerne Käfer, Grillen, Heuschrecken und Schmetterlingsraupen, aber auch Spinnen, Regenwürmer und Eidechsen stehen ab und zu auf seinem Speiseplan.
Der Kaiserstuhl bietet optimale Brutbedingungen
Zum Brüten nutzt der Vogel Spechthöhlen, Nischen, Mauerspalten, Steinhaufen oder auch Nistkästen. Er braucht wenig Nistmaterial und formt manchmal lediglich eine Mulde, in die die Eier gelegt werden. Die markante Haube richtet er auf, wenn er gerade gelandet ist.
Bei der Partnersuche macht das Wiedehopf-Männchen den ersten Schritt. Es sucht eine passende Brutstätte aus, posiert rund um die Wohnung mit einem Brautgeschenk im Schnabel, etwa einer schönen, dicken Made, und hofft auf das Interesse des Weibchens. Herr Wiedehopf setzt sich dabei auf eine Anhöhe und lässt seinen charakteristischen und lauten Ruf erklingen: Up-up-up! Dabei kann eine ganze Weile vergehen, bis ein Wiedehopf-Weibchen sein Werben erhört. Nach Möglichkeit brüten Wiedehopfe eher bodennah. Je höher die Bruthöhle liegt, desto größer ist die Konkurrenz, zum Beispiel durch Stare.
Wenn sich ein Pärchen gefunden hat, übernimmt das Männchen die Futterversorgung, während das Weibchen brütet. Mit dem langen, schmalen Schnabel stochert der Wiedehopf nach Insekten. Manchmal muss er seine Löcher breiter machen, um seine Beute zu erwischen. Dann sieht man ihn mit in den Boden gestecktem Schnabel mehrmals im Kreis laufen.
Das Weibchen verlässt in dieser Zeit nach Möglichkeit nur noch zum Kot absetzen das Versteck. Um die zwei Wochen dauert es, bis die fünf bis zehn Eier ausgebrütet sind. Wird es leise um die Wiedehopfe, ist das ein gutes Zeichen: Die Brut war erfolgreich. Schon zwölf Stunden nach dem Schlüpfen bilden die Küken den ersten Flaum des künftigen Federkleids. Damit die Küken nicht zu früh „abhauen“, befinden sich kleine Röhren an ihrem Federkleid, die sie am Wegfliegen hindern. Erst wenn die Zeit gekommen ist, nach etwa dreieinhalb Wochen, können sich die kleinen Wiedehopfe in die Lüfte erheben. Bis dahin brauchen sie weiter die Wärme der Mutter. Und so hudert das Weibchen seine Küken ungefähr sieben Tage, während das Männchen weiter für die Nahrungssuche zuständig ist. Danach beteiligt sich auch das Weibchen an der Fütterung der Jungen. Stößt ihm unterwegs etwas zu, ist die Brut leider verloren.
Für die bodennahen Brüter ist dies eine sensible Phase. Nistplatzkonkurrenz, aber auch Nesträuber wie Wiesel oder Marder machen ihnen zu schaffen. Sie sind dabei jedoch nicht so wehrlos, wie man meinen könnte. Sowohl die Weibchen als auch die Küken können sich mit einer in der Vogelwelt einzigartigen Waffe verteidigen: Sie wenden ihren Bürzel in Richtung des Angreifers und versprühen ein stinkendes Sekret, das die meisten vertreibt. Einen Meter weit und bis zu vier Mal hintereinander können die Küken ihre Verteidigung verspritzen. Daher rührt auch der Ausdruck „Stinken wie ein Wiedehopf“.
Der Vogel des Jahres 2022 benötigt den Schutz von uns allen
Am 18. November 2021 wurde der Wiedehopf zum Vogel des Jahres 2022 gewählt. Insgesamt 142.789 Stimmen wurden abgegeben. Der Wiedehopf hat sich mit 31,9 % durchsetzen können. Und wurde somit nach 1976 zum zweiten Mal Sieger der Abstimmung.
Die Population des Wiedehopfes gilt in Deutschland als gefährdet, da es aufgrund fehlender Lebensräume immer noch wenige Brutpaare gibt, zurzeit sind es 800 bis 950. Auch kehren jedes Jahr 25 Millionen Zugvögel nicht in ihre heimischen Brutgebiete zurück. Doch das Verbreitungsgebiet dieses wärmeliebenden Vogels wächst, was ein klares Anzeichen des Klimawandels ist.
Sie möchten helfen, diesen fantastischen Vogel zu schützen? Über die NABU können Sie den Vogel des Jahres 2022 sowie weitere unterstützen. Und zwar mit einer Zugvogel-Patenschaft, um die Reise von Wiedehopf, Fitis und Co. sicherer zu machen.
Die Kanzingers sind immer noch überwältigt von ihrer zufälligen Begegnung. Ein weiteres Argument, die außergewöhnliche Region Kaiserstuhl mit all seinen Kräften zu unterstützen sowie zur Erhaltung der Natur und ihren Wundern beizutragen. Neben dem Wiedehopf haben sich viele weitere seltene Tiere hier angesiedelt, die sich nach wie vor wohlfühlen. Dass es so bleibt, ist eine wichtige Aufgabe von uns allen.
Quelle: www.nabu.de