Matthias Gutmann ist gelernter Fachinformatiker sowie Tüftler und Entwickler. Seine Devise: Bestehendes zu hinterfragen und zu erforschen. Das nutzen, was da ist. Und was vollkommen Neues auf den Markt bringen.
Aber von Anfang an: Der 41jährige Software-Entwickler hat bis zu seinem 34. Lebensjahr im Elternbetrieb in Ihringen gearbeitet. Nach dem Verkauf an Hella und die „Konzernisierung“ des Betriebes wollte der junge Mann etwas anderes machen. Nach einigen Überlegungen trat er die „Flucht“ nach vorn an. Er übernahm zusammen mit seiner Frau Caroline die heutige Commeco Solutions GmbH aus Breisach und den Elektroinstallationsbetrieb seiner Schwiegereltern aus Ihringen. Beide sind geschäftsführende Gesellschafter der Commeco Solutions GmbH, Caroline managt die Bereiche Verwaltung sowie Marketing.
Wenn der Zufall einem in die Hände spielt
Doch Matthias Gutmann hat noch viel mehr im Sinn, möchte Neues entwickeln, praktikable Lösungen schaffen. Und manchmal braucht es dazu einfach nur einen Zufall. So im Sommer 2019. Der junge Mann fuhr mit seinem Auto eine ganze Weile hinter einem Traktor mit Wasserfässern her. Und da gingen Matthias gleich mehrere Fragen durch den Kopf. Warum wird hier Wasser gefahren? Und wohin? Ginge sowas nicht auch mit Pumpen? Und woher weiß der Landwirt, wann er Nachschub braucht? Vielleicht wäre ein Füllstandsensor die passende Lösung? Aber wann benötigt der Boden Wasser? Wäre da nicht ein Bodensensor die bessere Lösung? All diese Themen ließen den ITler nicht mehr los. Und von da ab beschäftigte er sich intensiver mit der Materie.
So erfuhr er beispielsweise über eine Studie, dass durch entsprechende Bewässerung die Reben u.a. resistenter werden und eine moderate Bewässerung den Traubenertrag (kg/ar) signifikant steigern kann. Matthias stellte Nachforschungen an. Wie arbeiten die Winzer bisher? Was gibt es bereits auf dem Markt? Wie wird es genutzt? So kam er beispielsweise auf das Tensiometer, das in die Erde gestoßen wird und über die Saugspannung Auskunft über die Bodenfeuchte gibt. Aber all das muss vor Ort passieren, auf dem Acker, in den Reben. Ist das betriebswirtschaftlich tragbar? Die sogenannten „Soda-Kosten“ (Wegzeiten etc.) sind enorm. Sicher gibt es hier noch viel Potenzial für Einsparungen.
Auf zu neuen Wegen - mit der Gründung der nextwerk Solutions GmbH
Das Thema hatte Matthias Gutmann gefangen. Mit seinen Mitstreitern Alexander Stirn und Sebastian Lorenz gründete er 2020 die nextwerk Solutions GmbH in Breisach. Dabei stehen die Weinbau-Thematik und insbesondere kleinteilige Landwirtschaft im Mittelpunkt des Jungunternehmens. Die drei machten sich ans Sondieren. Was gibt es bereits für Sensoren? Wie können diese für ihre Belange genutzt werden? Das Ziel dabei jederzeit vor Augen: die Wegzeiten der Winzer und Bauern zu reduzieren und insbesondere mehr Sicherheit zu geben, gerade in den Frostmonaten. Auf folgende Fragen soll es Antworten geben: Ist Bodenfrost da? Wie sieht der Wasserspeicher im Frühjahr aus? Wann muss mit der Bewässerung begonnen werden?
Viele Winzer bringen Stroh zwischen den Reben aus. Eine zeitaufwändige Arbeit. Die Idee dahinter ist, dass die Feuchtigkeit aus der Luft kondensiert und abtropft. Weiterhin wird der Boden gegen Austrocknung oder Erosion geschützt. Doch wieviel bringt dieser Aufwand wirklich? Das könnten Messergebnisse mittels Bodensensoren ans Licht bringen.
Darüber hinaus soll eine korrekte Bewässerung der Reben die Pflanze resistenter machen. Das heißt: weniger Pflanzenschutzmittel, weniger Fahrten. Auch geht es um eine eventuelle Qualitätssteigerung der Trauben. Beispielsweise besagen Studien, dass gerade beim Rotwein ein moderater Trockenstress zu einer besseren und intensiveren Farbe führt. Das gezielt zu erreichen, so Matthias Gutmann, ist der zweite oder dritte Schritt. Aber auf jeden Fall eine Zielstellung.
Mit Messdaten von überall aus immer auf dem aktuellen Stand
Sebastian Lorenz von der nextwerk Solutions GmbH kannte zufälligerweise Volker Kern. Der Geschäftsführer der Winzergenossenschaft Bötzingen war von Anfang an von den Ideen und Lösungen des jungen Unternehmens begeistert. Beim monatlichen Winzerstammtisch tauscht er sich regelmäßig mit den „Handwerkern in den Reben“ über aktuelle Themen aus. Auch die Bodensensorik gehört nun dazu. Und mit den Winzern möchte er ein Pilotprojekt schaffen und die neue Technik ausprobieren.
Hier bietet sich, ganz aktuell, das Rebenstück der Gauchhahle an. Gemeinsam mit Winzer Florian Höfflin und seiner Familie soll hier etwas ganz Besonderes gedeihen: der feine Syrah. Eine internationale Rebsorte, die das Zeug für einen hochkarätigen Wein hat und bestens in trockenen Lagen gedeiht. Die Bepflanzung ist für 2023 vorgesehen. Für 2025 wird die erste Ernte geplant. Doch bis dahin gibt es noch jede Menge zu tun. Bei den derzeitigen Erdarbeiten schaltete sich nun nextwerk Solutions ein. In den vergangenen zwei Wochen wurden Bodensensoren in die Erde gebracht, sechs davon in den Böden der Gauchhahle. Die Datenübertragung erfolgt über ein Funknetz mittels Antennen. Diese decken jeweils einen großen Bereich ab. Das Ganze ist ein „Low-Power-Netzwerk“, das sehr wenig Energie benötigt. Die Sensoren laufen mit einer Batterie zwischen fünf und sieben Jahre.
Auf dem Dach der Winzergenossenschaft Bötzingen ist solch eine Antenne vorgesehen. Die Messwerte der eingesetzten Bodensensoren gelangen auf den Server von nextwerk Solutions. In dem selbst entwickelten Cloud-Portal können diese Daten jederzeit grafisch abgerufen werden. Und der Winzer kann tagesaktuell reagieren und die notwendigen Arbeiten planen.
Ein weiterer Pluspunkt ist, so Matthias Gutmann, dass die Bodensensoren für einen erschwinglichen Preis zu erwerben sind. „Ein solches System funktioniert nur, wenn es flächendeckend zum Einsatz kommt. Dann kann es den Winzer/Landwirt optimal unterstützen und Zeit und dementsprechend Geld sparen“.
Ein Schritt mehr in Richtung Nachhaltigkeit und Umdenken
Florian Höfflin sowie der Geschäftsführer der Winzergenossenschaft sind nun sehr gespannt. Alsbald werden die ersten Messdaten eintreffen. Was das Ganze genau bewirkt und welche Vorteile es tatsächlich mit sich bringt, wird sich in den nächsten Jahren zeigen. Die Bötzinger sind zuversichtlich. Und haben mit diesem Projekt auch schon die nächsten Generationen im Blick.