Etwa dreieinhalb Monate ist es her, dass wir über die Rebflächen mit Minimalschnitt der Winzer Samuel Lay, Florian Höfflin, Markus Kanzinger und Jürgen Brodbeck berichtet haben. Diese vier haben in Bötzingen dieses Pilotprojekt gestartet, um Arbeitsstunden sowie Kosten durch Wegfall von Heft- und Bindearbeiten und Minimierung von Rebschnitt zu reduzieren. Um dadurch gleichzeitig nachhaltiger zu agieren.
Jeder für sich, aber gleichzeitig auch gemeinsam, wollen sie die neue Struktur ausprobieren, Erfahrungen sammeln und die jeweils beste Strategie davon ableiten. Wir fragen Samuel Lay, der auf einer seiner Rebflächen Minimalschnitt betreibt, wie es bisher gelaufen ist.
Beim letzten Gespräch, Anfang April, waren die Pflanzen kurz vorm Austrieb. Wenige Zeit später bildeten die Reben optisch bereits eine grüne Wand. Das fanden die Maikäfer sehr interessant. Und lecker. Allerdings hat dies glücklicherweise kein Problem dargestellt, da sehr viele Triebe vorhanden waren.
Erstaunlicherweise hat sich die Rebenparzelle mit Minimalschnitt bis zur Blüte genauso schnell entwickelt wie die anderen Rebflächen. „Normal“ wäre gewesen, dass diese etwas hinterher ist, da die Pflanzen ja viel mehr zu versorgen haben. Ein Grund dafür könnten die kühlen und nassen Wetterphasen im April und Mai sein, vermutet der Winzer. Da hatten die Reben wohl nicht so viel Stress beim Wachstum und konnten gut Schritt halten.
Natürliche Auslese durch Laubschnitt
Da die Triebe nicht geheftet sind, wachsen sie in alle Richtungen. Etwa zwei Wochen nach der Blüte hatten diese eine Länge von bis zu 70 Zentimetern und ragten seitlich heraus, so dass die Rebzeile etwa einen Meter Breite hatte. Dieses enorme Wachstum nahm Samuel zum Anlass, die Pflanzen von allen Seiten in Form zu schneiden. Mit dem Laubschnitt konnte er außerdem schon einige Trauben entfernen. Eine natürliche Auslese, so der Winzer. Und dennoch waren die Reben etwa zwei Wochen später von unten bis oben mit Trauben „übersät“.
Zwischen den Rebenreihen wurde eine Blühmischung mit zwanzig Kräutern und Blumen eingestreut. Diese ist super gewachsen und hat sich sehr schön entwickelt. Durch die Vielfalt und die dadurch unterschiedlichen Durchwurzelungstiefen wird der Boden perfekt durchlockert, gleichzeitig das natürliche „Bodenleben“ intensiviert. Das hat positive Auswirkungen auf die Rebenpflanzen. Genauso kann durch die Leguminosen wertvoller Stickstoff gebunden und der Boden damit angereichert werden.
Derzeit sind die Beeren erbsengroß. Genau der richtige Zeitpunkt, so Samuel Lay, die Zeilen noch einmal auszudünnen und somit den Ertrag zu reduzieren. Dafür hat der Winzer mit seinem Vollernter die Pflanzen in die Mitte genommen und auf hoher Frequenz die gesamte Laubwand durchschüttelt. Mit dem Ergebnis, dass viele Trauben oder auch Traubenteile abgefallen oder weggebrochen sind. Mit dem jetzigen Traubenstand ist ein „normaler“ Ertrag zu erwarten. Allerdings, ergänzt der Winzer, wird sich die weitere Traubenentwicklung und Reife aufgrund dieses Eingriffs ein wenig verzögern. Das bedeutet, dass die Lese am Ende der Haupternte stattfinden wird. Er sieht das als Vorteil. Denn somit hat er länger Zeit, seine Beeren einzufahren.
Höchstwahrscheinlich ein richtiger Schritt Richtung Zukunft
Samuel Lay ist mit der bisherigen Entwicklung zufrieden. Trotz des nassen Wetters und den dadurch hervorgerufenen „falschen Mehltau“, hat sich die Rebenparzelle mit dem Minimalschnitt stabil entwickelt. Die erste Ernte könnte eine gute Qualität für Basisprodukte geben. Nun müssen sich die Reben auf die neue Vorgehensweise einstellen. Das braucht sicher noch einige Zeit. Aber dann ist durchaus denkbar, dass hier auch qualitativ hochwertigere Trauben reifen.
In der kalten Jahreszeit wird der Winzer das Verholzte teilweise aus den Reben schneiden, alles ein wenig in Form bringen und die Grundstruktur für die „zweite Runde“ schaffen. Er ist schon gespannt, wie die Knospenentwicklung im nächsten Jahr sein wird. Aber, wie immer, ist dies zu großen Teilen von der Natur abhängig.
Wenn die Entwicklung so weitergeht, wird Samuel Lay diese Technik auf jeden Fall weiterverfolgen. Je nachdem, welche Rückmeldung er vom Kellermeister der Winzergenossenschaft bezüglich Qualität und Sensorik der Beeren bekommt, kann er sich vorstellen, von einer Versuchsfläche auf drei aufzustocken. Wenn hier alles passt, dann konnte das Ziel der vier Pilot-Winzer auf jeden Fall erreicht werden: weniger Aufwand, geringere Kosten und ein wichtiger Beitrag zur Nachhaltigkeit.