Heute: Samuel Lay
Es ist Mittwoch, der 16. September. Ich treffe Samuel Lay mit seinem Winzerkollegen Andreas Brenn und dessen Sohn Jonathan in den Reben bei der Weinlese an. Die Männer machen Vesperpause, sie sind seit 5.00 Uhr auf den Beinen – kurze Zeit für ein Interview. Seit etwa 10 Tagen sind die Winzer „mit Vollgas unterwegs“. Eigentlich im Zwei-Schicht-Betrieb. Aber da sie in der Regel auf sich alleine gestellt sind, gibt es derzeit 15/16-Stunden-Tage. Der eine ist mit der Ernte beschäftigt, der andere mit dem Rangieren der Bottiche. Glücklicherweise hat Jonathan Urlaub, so dass dieser „Gewehr bei Fuß steht“, um die gefüllten Bottiche sofort in die Winzergenossenschaft zu fahren.
Dieses Jahr ist Schnelligkeit und genaue Vorausplanung erforderlich
Und das ist wichtiger denn je. Die Trockenheit hat die Reben fest im Griff. Und je länger die abgeernteten Trauben in der Sonne stehen, umso schneller sind Mikroorganismen tätig und die Gärung kann einsetzen. Von daher sollten diese so schnell wie möglich in den Winzerkeller. Die drei fangen deshalb jeden Tag sehr früh an, um die erste Tagesernte noch kühl anliefern zu können. Ein Spiel mit der Zeit.
Und jeder Tag zählt. Fünf bis sechs Wochen vor der Weinlese sah alles noch bestens aus. Über das gesamte Jahr sind die Winzer von möglichen Ernteschäden durch Witterung oder Schädlinge verschont geblieben, so Samuel Lay. Aber die Trockenheit und Hitze hat den Reben in den letzten Wochen ordentlich zugesetzt. Das Beerenwachstum ist nicht so erfolgt wie erhofft. Die Wasserreserven sind schon lange aufgebraucht. Es sind keine Speicherkapazitäten mehr vorhanden, aus denen sich die Pflanzen bedienen könnten.
Bei der Wärme schreitet die Reife der Beeren enorm schnell voran. Fast könnte man zuschauen. Die Beerenhaut ist extrem dünn. Ein mögliches Gewitter könnte verheerende Folgen für die noch hängenden Trauben haben. Noch so gering beschädigte Beeren kippen in kürzester Zeit um. Und vielleicht spielt hier sogar die Verdunstung bei diesem Super-Sonnen-Wetter mitten im Herbst ebenfalls eine Rolle. Einige Beeren in der Traube sehen schon fast aus wie Rosinen. Sie sind zuckersüß. Ein enorm hochwertiges Lesegut, so der Winzer. Also ist Eile geboten, jede Stunde zählt. Und am besten werden die geernteten Beeren just in time zur Winzergenossenschaft gefahren. Da hier so gut wie kein Rückstau herrscht, läuft das ganze ziemlich rund.
Dank Vollernter kann zügig gearbeitet werden
Glücklicherweise kann der große Teil der Reben maschinell geerntet werden. Mit der Hand wären diese Mengen nicht zu bewältigen. Samuel Lay und Andreas Brenn fahren mit ihrem Vollernter immer über eine Rebenreihe. Diese „verschwindet“ in der Mitte der Maschine. Hier werden die Trauben in Schwingung versetzt und die Beeren lösen sich durch die Vibration vom Stiel. Alles, was dabei noch an der Beere verbleibt, wie kleine Stiele oder Blätter, wird von der Maschine aus dem Lesegut noch einmal entfernt. Etwa 3 Hektar schaffen die Männer an einem Tag. Allerdings benötigen sie in diesem Jahr wesentlich mehr Zeit für die gleiche Menge Beeren als im letzten Jahr. Das ist dem Umstand geschuldet, dass die Beeren kleiner sind als im Vorjahr.
Auch die Handlese spielt eine wichtige Rolle
Samuel Lay hat parallel auch noch eine „Handtruppe“ beim Lesen. Deren Aufgabe ist es, die Trauben der Geiztriebe wegzuschneiden, um damit eine maschinelle Traubenlese zu ermöglichen. Diese Triebe haben sich erst später im Jahr entwickelt. Die daran hängenden Trauben sind noch nicht so weit ausgereift. Um das Ernteergebnis nicht zu verfälschen, müssen diese im Vorfeld entfernt werden. In diesem Jahr eine aufwändigere Arbeit, weil sie zahlreicher als sonst vorhanden sind.
Die Handlesetruppe kümmert sich auch um die Lese in Randbereichen von Anlagen oder auch auf kleinen Parzellen, wo der Vollernter nicht eingesetzt werden kann. Und natürlich werden die Sonderflächen ausschließlich per Hand geerntet.
Exakte Abstimmung und perfektes Zusammenspiel stehen an erster Stelle
Bis zum 23. September soll noch gelesen werden. Die Weißweinsorten sind bereits so gut wie abgeerntet. Insbesondere die Spätburgunder-Trauben sind dann an der Reihe, denn hier sind höhere Mostgewichte gewünscht. Aus diesem Grund bleiben diese ein paar Tage länger an den Reben. Darüber hinaus gibt der Kellermeister vor, in welchem Takt der Spätburgunder eingefahren werden kann. Das hat insbesondere mit der Maischegärung zu tun. Hier müssen die Trauben mehrere Tage in speziellen Tanks lagern, damit die rote Farbe der Beerenhaut gewonnen werden kann. Dafür sind enorm viele Behälter notwendig, die dann bei Freiwerden auch gleich wieder mit frisch geernteten Beeren befüllt werden.
Somit ist vor jedem Tag eine genaue Absprache mit der Winzergenossenschaft notwendig. Es muss angemeldet werden, was am nächsten Tag angeliefert wird. Ein Hand-in-Hand-Arbeiten, das für alle Beteiligten zwar aufwändig, aber unerlässlich ist. Die trubeligste Zeit des Jahres für alle Winzer und die Winzergenossenschaft. Die „Winzer-Fasnet“, wie das Herbsten intern schmunzelnd genannt wird.
Nach der Ernte ist vor der Ernte
Auch wenn sich Samuel Lay in diesem Jahr von der Ernte etwas mehr versprochen hat, ist er nicht unzufrieden. Es sind die Naturgewalten, mit denen er immer wieder auf’s Neue zurechtkommen muss. Sie sind seine Verbündeten und seine Feinde zugleich. Das ist das Los aller Winzer und Landwirte. Das sind aber auch die Herausforderungen, die Samuel Lay liebt. Einzig mehr Wasser wäre notwendig. Wichtig ist, dass die Reben ihre Wasserspeicher wieder auffüllen können, um dann in den kommenden Trockenzeiten von den Reserven zu zehren.