Elf Winzer aus dem Bötzinger Winzerkreis machten sich vom 11. bis 14. März auf den Weg ins Ahrtal. Um das fortzusetzen, was Markus Kanzinger im Herbst letzten Jahres begonnen hatte. Da war der Winzer ganz spontan nach Rheinland-Pfalz ins Katastrophengebiet gefahren, um bei der Lese zu helfen. Was er dort erlebt hat, war erschütternd, aufrüttelnd und faszinierend zugleich. Erschütternd die Zerstörung betreffend, aufrüttelnd der notwendigen Hilfe wegen. Und faszinierend in Bezug auf die Herzlichkeit und Dankbarkeit der gebeutelten Ahrtaler. Und Markus Kanzinger nahm sich ganz fest vor, mit einer Handvoll Winzer im Frühjahr wiederzukommen und erneut zu helfen.
Er musste gar nicht lange fragen und suchen. Bereits Ende 2021 war es beschlossene Sache, dass der Winzerkreis im März darauf ins Ahrtal fährt. Wer konnte und Zeit hatte, war dabei. Eine selbstverständliche Sache.
Reben schneiden und Einzelstockerziehung
So machten sich am frühen Freitagmorgen um 3.30 Uhr zwei Kleinbusse auf den Weg gen Norden. Mit dabei waren Erwin Meier, Markus Kanzinger, Manuel Kanzinger, Simon Gumbert, Andreas Schulz, Boris Weigele, Martin Baldenhofer, Florian Höfflin, Stefan Hauser, Manuel Jenne sowie Markus Jenne. Gegen 7.30 Uhr waren die Männer vor Ort. Sie wurden abgeholt und direkt in die Reben gefahren.
Markus Kanzinger hatte dazumal die Kellermeisterin der Winzergenossenschaft Mayschoß, Astrid Rickert, kennengelernt. Mit ihr und ihrem Mann war im Vorfeld bereits abgesprochen, auf welchen Flächen die Kaiserstühler Winzer beim Reben schneiden sowie neigen eingesetzt werden. So waren sie am Freitag und Samstag von morgens bis abends bei der Arbeit. Es ging gut von der Hand und machte Spaß. Und die Männer waren sehr schnell. Sie halfen nicht nur den Winzern der WG Mayschoß, sondern auch noch ganz spontan dem Bio-Weingut Trautwein, einem „alten Bekannten“ aus Bahlingen am Kaiserstuhl, der auch Reben im Ahrtal besitzt.
Die enorme Hanglage der meisten Rebflächen im Ahrtal hat die Bötzinger Winzer schier erstaunt. Mit etwa 45° Neigung ist das meiste Handarbeit. Maschinen können kaum eingesetzt werden. Wo es geht, erleichtern Raupen oder, beim Pflanzenschutz, gelegentlich auch Hubschrauber die Arbeit. So „lernten“ die Kaiserstühler neben der bekannten Normalerziehung hier die Einstockerziehung kennen. Dabei wird der Trieb nicht waagerecht befestigt, sondern im Bogen um einen Holzstock gebunden. Die Triebe wachsen dann am Holzstock nach oben.
Die Not ist immer noch groß - Hilfe nach wie vor notwendig
Drei Nächte verbrachten die Bötzinger Winzer im Ahrtal. Sechs schliefen im zweiten Stock des ehemals überfluteten Hauses von Astrid Rickert. Auf Klappbetten, Luftmatratzen und Isomatte. Ohne Wasser und Heizung, ausgestattet mit einem Waschbecken und einem WC mit „Gießkannen-Spülung“. Geduscht wurde in der Wohnung der Kellermeisterin. Die anderen fünf waren in einer Ferienwohnung der Familie untergebracht. Jeden Abend wurden die elf bei Astrid Rickert und ihrer Familie mit Essen sowie dem einen oder anderen Gläschen Wein verwöhnt. Ein reger Austausch, tolle Gespräche sowie eine willkommene Atmosphäre ließen die Kaiserstühler fast wie zu Hause fühlen. Sie lernten alle Ahrtaler als einen offenen, sehr sympathischen und herzlichen „Menschenschlag“ kennen, der die gesamte Situation mit Gelassenheit und Akribie angeht. Einfach erstaunlich, gerade angesichts der Naturkatastrophe und den immer noch fatalen Auswirkungen für viele der Ansässigen.
Das Ahrtal ist touristisch sehr gut aufgestellt - und wieder auf dem Weg dorthin
Am Sonntag hatten die Winzer dann frei. Sie wanderten entlang des Rotweinwanderweges, einem touristisch perfekt gekennzeichneten Weg durch die Reben. Ganz begeistert waren alle vom Weinautomaten, der ganz unerwartet mitten in der Natur auftauchte. Hier konnten sich durstige Wanderer und Genussmenschen eine Flasche Wein und sogar Gläser „ziehen“.
Weiterhin stand die Besichtigung der Winzergenossenschaft Mayschoß auf dem Plan. Enorm, was hier schon alles bewegt wurde. Glücklicherweise hatte die WG keine hohen Verluste durch ausgelaufenen Wein zu verzeichnen. Der Keller sieht nun wieder aus wie vorher. Und beeindruckte die Bötzinger Winzer mit seiner Atmosphäre. Hier unten werden Kellerführungen durchgeführt, die dann bei einer Weinprobe in verschiedenen Räumlichkeiten ihren Höhepunkt finden.
Genauso beeindruckte die Tatsache, dass nach wir vor in der Winzergenossenschaft jeden Mittag von 12.00 bis 15.00 Uhr auf Spendenbasis kostenlos Essen ausgegeben wird. Hier können alle Helfer und Ahrtaler vorbeikommen und von einem warmen Essen sowie Getränken profitieren. Soviel Engagement und Motivation ist bemerkenswert.
Auch der Winzerkreis kam an diesem Abend in den Genuss einer Weinprobe. Sogar der Raritätenkeller wurde für die helfenden Winzer geöffnet. Zwei etwa 20jährige Ahrtaler Rotweine konnten die Kaiserstühler genießen. Ausgezeichnete Tropfen, die unter den Weinspezialisten sehr viel Anerkennung fanden. Ein schöner Abend, der auch ein perfekter Ausklang für ereignisreiche Tage war.
Der Einsatz war ein Erfolg - und bestimmt nicht der letzte
Am Montag 8.30 Uhr machten sich die beiden Kleinbusse wieder auf den Weg Richtung Heimat. Auf dem Rückweg war noch ein Stopp bei der Ero GmbH in Simmern eingeplant. Ero ist Hersteller von Weinbaugeräten und Maschinen für den Einsatz im Weinberg. Zudem der einzige deutsche Produzent von Traubenvollerntern. Hier bekamen die Winzer eine Betriebsbesichtigung und erfuhren das Neueste bezüglich Entlaubern, Stutzern u.v.m. Gegen 17.30 Uhr kamen die Männer dann wieder in Bötzingen an.
Der gesamte Ausflug, so Markus Jenne, war ein voller Erfolg. Sie konnten an den drei Tagen nicht nur wertvolle Hilfe für die Winzer im Ahrtal leisten. Diese Fahrt stärkte auch die Gemeinschaft aller Beteiligten untereinander. Gespräche fanden statt, zu denen sonst kaum Zeit bleibt. Eine Aktion, die gern wiederholt werden darf und bei der jeder einzelne der Winzer ganz sicher wieder dabei wäre.