Die Weinlese ist für die Winzer und die Winzergenossenschaft die wichtigste und gleichzeitig aufregendste Zeit im Jahr, so Geschäftsführer Volker Kern. Hier entscheidet sich, ob die Qualität der Trauben ein gutes Weinjahr einläuten und ob ausreichende Mengen für jede Weinsorte eingefahren werden können. Immer wieder ein gemeinsames Abwägen, Bangen, Diskutieren, Entscheiden.
Ganz pragmatisch muss man sich das Ganze wie folgt vorstellen: Das Gremium aus Aufsichtsrat und Vorstand sowie Geschäftsführer und Kellermeister der Winzergenossenschaft messen im Herbst Tag für Tag die Oechsle-Werte der verschiedenen Traubensorten. Anhand der Reife wird festgelegt, wann mit der Lese und ganz speziell mit welcher Sorte begonnen wird. Ein bis zwei Wochen vor Start werden die Mitglieder der Winzergenossenschaft im Rahmen einer Herbstversammlung auf die Lese eingestimmt. Anschießend erhalten diese einen Leseplan, der festlegt, an welchem Tag welche Weinsorte geerntet wird. Die Lese in Bötzingen startete in diesem Jahr am 6. September. Die letzten Trauben wurden fast genau einen Monat später, am 5. Oktober, eingefahren.
Der schwere Spagat zwischen Menge, Dringlichkeit und Reife
Aber nicht nur die Reife bestimmte beim diesjährigen Herbsten über das Einholen der Trauben. Insbesondere die Infektionen aufgrund des heißen Wetters machten allen Beteiligten arg zu schaffen. Es musste darauf reagiert werden, wie schlimm manche Traubensorten betroffen sind. Um nicht auch die gesunden und somit jede Menge Trauben zu verlieren, wurde entschieden, bei diesen mit der Lese zu starten, obwohl das eine oder andere Mal die Oechsle-Werte noch nicht ganz den Vorstellungen entsprachen. Dieser Spagat verursachte jede Menge Druck und bedurfte die eine oder andere schwere Entscheidung. Doch glücklicherweise meinte es die Natur mit den Bötzinger Winzern auch in diesem Jahr gut. Im Laufe des Herbstes verbesserte sich die Wetterlage und sorgte für höhere und somit optimale Oechsle-Werte.
Insgesamt eine große Herausforderung, so Volker Kern. Aber insgesamt auch ein sehr gutes Ergebnis für 2023. Er durfte im Keller schon den einen oder anderen „Saft“ verkosten. Kellermeister und Geschäftsführer sind sehr zufrieden mit Menge und Qualität der Trauben. Auf den 2023er Jahrgang kann man sich jetzt schon freuen. Genauso gespannt ist der Geschäftsführer auf das „neue Baby“, das derzeit im Keller schlummert und sich entwickelt. Erstmals konnten Souvignier gris-Trauben eingefahren werden. Diese wird nun reinsortenspezifisch ausgebaut und verspricht, etwas ganz Besonderes zu werden. Eine neue Ära für die Winzergenossenschaft Bötzingen, die eingeläutet wurde.
Zufriedene Winzer über eine gut überstandene und erfolgreiche Ernte
Dorothea & Markus Kanzinger
Für die Winzerfamilie wird der Jahrgang 2023 als eine rasante Lese mit versöhnlichem Ende in Erinnerung bleiben. Höchste Flexibilität war gefragt. Aufgrund der extremen Wärme während der Erntezeit wurde die Nacht zum Tag gemacht, um die kühlen Stunden zu nutzen. Das hieß für alle weniger Schlaf und kurze Nächte. Der Leseaufwand war enorm. Aber genau dadurch konnte auch gutes Lesematerial eingebracht werden. Dank eines motivierten Teams wurden die Trauben zügig verarbeitet. Und obwohl es eine hohe Arbeitsbelastung für alle Beteiligten war, gab es ein sehr gutes Miteinander. Im Nachblick eine positive und erfolgreiche Zeit. Nicht zuletzt auch durch die emsige Hilfe des fleißigen Kanzinger-Nachwuchses.
Simon Gumbert
Der Winzer ist in diesem Jahr mit seiner Weinlese quantitativ als auch qualitativ sehr zufrieden. Die Ernte war herausfordernd, aber das Material einfach perfekt. Auch 2023 hat sich gezeigt, dass die Natur die Zügel in der Hand hat und man nicht alles genau planen und lenken kann. So war es doch wieder ein kleines Wunder, dass ein paar Liter Regen einige Wochen vor der Ernte die Trauben so groß werden ließen, obwohl es immer wieder heiße Perioden gab. Solche „Naturgewalten“ machen die punktgenaue Kalkulation der Menge für die Winzer schier unmöglich. Simon Gumbert ist im Rückblick dankbar für eine erfolgreiche und, das ist auch nicht immer selbstverständlich, unfallfreie Ernte. Hier war sicher der eine oder andere Schutzengel mit dabei.
Tobias Diehr
Der Bahlinger Winzer hatte in diesem Jahr Glück im Unglück. Nachdem der Hagel am 5. Mai auf über der Hälfte seiner Rebenflächen wütete und viele der kleinen Trauben vernichtete, war der Frust zunächst sehr groß. Im Rückblick betrachtet, stellte sich das Ganze jedoch als Vorteil heraus. Es war wie eine natürliche Selektion, so Tobias Diehr. Der Ertrag war nicht hoch. Jedoch konnten sich die noch am Stock hängenden Trauben prächtig entwickeln und zeigten sich in bester Qualität. Ein versöhnliches Ende. Die Lese war jedoch auch für ihn eine Herausforderung. Die Kosten, der Maschinen- und Zeitaufwand sind enorm. Der Winzer ist sich jedoch sicher, dass auch 2023 ein gutes Weinjahr wird und freut sich schon jetzt auf die Tropfen, die nun im Keller „gezaubert“ werden.