Am 30. Juni 2020 war der letzte offizielle Arbeitstag von Hanspeter Johner. In 32 Jahren als Geschäftsführer der Winzergenossenschaft Bötzingen hat er diesem Betrieb wie kein anderer seinen Stempel aufgedrückt. Er hat in dieser Zeit nicht nur sehr viel bewegt. Er kann ein erfolgreiches, modernes und gut aufgestelltes Unternehmen an seinen Nachfolger Volker Kern übergeben.
Mit Vollgas in den neuen Aufgabenbereich
Im Januar 1988 übernahm der damals 36-Jährige den geschäftsführenden Vorstand. Dabei kam Hanspeter Johner zu dieser Stelle wie „die Jungfrau zum Kinde“. Im April 1987 wurde er von Vorstand und Aufsichtsrat eingeladen. Er sollte seine Vorstellungen präsentieren, wo er die Zukunft der Winzergenossenschaft Bötzingen sieht. Am nächsten Tag kam der Anruf, dass er ab 1988 als Geschäftsführer anfangen könne, wenn er möchte. Natürlich wollte er! Und das in Mega-Schritten… Hanspeter Johners erstes Vermarktungskonzept 1989 wurde bereits zu einem Riesenerfolg: die Einführung der Kiebitz-Linie, von der bis heute mehr als fünf Millionen Flaschen verkauft wurden. Der Name selbst entstand nur zufällig. Unterwegs mit seinem Vertriebs-Agenten flog den beiden ein Kiebitz entgegen. Schon war die Kiebitz-Linie geboren.
Und nicht genug: Mit der Konzipierung der Geheimrat Goethe-Linie, einem weltweit eingetragenen Warenzeichen, wurden Weine aus über 20 Jahren alten Rebanlagen abgefüllt. Ein absolutes Novum. Und ein erfolgreiches dazu.
„Der zweite Sieger ist immer der Verlierer“
Ebenfalls zu Beginn seiner Karriere, im Jahre 1991, erhielt der Weißburgunder Kabinett Trocken Geheimrat Goethe auf der VINEXPO in Bordeaux eine große Goldmedaille und Trophäe. Solch eine besondere Auszeichnung hat bis jetzt kein weiterer Kaiserstühler Winzerbetrieb erreicht. Ihren Ruf als Weißburgunder-Spezialisten hat die Winzergenossenschaft Bötzingen seitdem beibehalten und stetig weiterentwickelt.
Eine gemeinsame Idee mit Kellermeister Heinrich Höfflin setzte Hanspeter Johner 1992 um. Da die Riesling Eiswein-Ernte sehr groß ausfiel, wurde die Hälfte der Trauben erstmalig im Barrique ausgebaut. Ein toller Erfolg, bei dem sogar die deutsche Weinbranche überrascht war. 50% der Flaschen wurden dazumal beispielsweise von den Moselwinzern bestellt. Die wollten nämlich wissen, wie dieser Barrique-Eiswein ist. Bis heute hat sich die Winzergenossenschaft Bötzingen mit den Edelsüßen einen Namen gemacht. Die Trockenbeerenauslesen und Eisweine gelten als Kleinode unter Kennern.
Die Weichen wurden auf Zukunft gestellt
Viele Investitionen konnten in der Ära Johner umgesetzt werden. Dabei bewies der Geschäftsführer jedes Mal den richtigen Riecher zur richtigen Zeit. Neben dem Tankkeller 1989, dem Flaschenkeller 1995, dem modernen Verkaufsraum 2006 sei insbesondere der Kellerneubau im Jahre 2016 erwähnt. In nur acht Monaten, die Herbstlese stand wieder vor der Tür, wurde dieses gigantische Projekt umgesetzt. Einer Kirchenkathedrale gleich, entwickeln sich hier unter besten Bedingungen nicht nur die hervorragenden Bötzinger Tropfen, auch die Atmosphäre durch den spektakulären Lichteinfall ist einmalig.
2018 erfolgte dann noch der Bau des Archivs, einer wahren Schatzkammer, wo heute mehr als 13.000 Flaschen aus den letzten Jahrzehnten lagern. Und zwar echte Raritäten. Einer der ältesten Weine stammt aus dem Jahre 1966, ein Spätburgunder Rotwein „natur“.
Bei allen Vorhaben und Investitionen standen Vorstand sowie Aufsichtsrat immer auf der Seite von Hanspeter Johner. Hier hat er nicht nur Unterstützung und Rückendeckung erfahren, sondern auch von einer vorbildlichen Zusammenarbeit profitieren können.
Die Winzergenossenschaft ist jetzt so stark wie nie
Besonders stolz ist der scheidende Geschäftsführer, den Namen „BÖTZINGER“ zu einer weltweit anerkannten Marke etabliert zu haben. Dabei ist es ihm auch gelungen, auf die Vermarktung von Einzellagen zugunsten dieser starken Marke zu verzichten. Als erster Betrieb in ganz Baden. Dass dieser Schritt genau der Richtige war, beweisen zahlreiche Auszeichnungen sowie die internationale Bekanntheit des BÖTZINGERs.
Und einen weiteren Fakt kann Hanspeter Johner für sich verzeichnen: In seiner Zeit als Geschäftsführer gab es keine Flächenverluste. Ganz im Gegenteil. Neue Flächen kamen hinzu und sind um 100 auf jetzt insgesamt 370 Hektar gewachsen. Auch die Mitgliederzahl ist permanent gestiegen. Heute gehören mehr als 300 Winzerinnen und Winzer zur Genossenschaft. Ein auch sehr persönlicher Erfolg von Hanspeter Johner, denn das Wohl seiner Mitglieder stand für ihn immer an erster Stelle.
Der Stabswechsel mit einem lachenden und einem weinenden Auge
Rückblickend beschreibt Hanspeter Johner seine Jahre bei der Winzergenossenschaft Bötzingen wie folgt: „Die Zeit war wie ein Winzerjahr: Der Fleiß im Winter, die Sorgen im Frühjahr und Sommer, die Freude beim Ernten und das Genießen beim Rückblick.“
Volker Kern übernimmt ab 1. Juli 2020 als neuer Geschäftsführer einen erfolgreichen Genossenschaftsbetrieb, ein innovatives Mitarbeiter-Team sowie die Verantwortung für mehr als 300 motivierte Winzerinnen und Winzer. Ein Erbe, das besser kaum sein kann.