Hier ticken die Uhren ganz anders. Hier haben die Weine Zeit, sich in aller Ruhe zu entwickeln. Das kühle, etwas feuchte Gewölbe stammt aus dem hiesigen Steinbruch und bringt genau das richtige Klima für die Reifung der Weine mit. Die natürliche Verdunstung des Weines durch seine hölzerne Hülle lässt einen weinseligen Geruch in der Luft wabern.
Mehr als 200.000 Liter Wein lagern in unterschiedlich großen Fässern. Die riesigen, teilweise liebevoll verzierten und mehr als 7.000 Liter umfassenden Holzfässer wurden in den 1960er Jahren in der Küferei Ihringen hergestellt und direkt im Gewölbekeller zusammengebaut. Ihre Haltbarkeit liegt bei einem Menschenleben, oft sogar noch mehr. Lediglich ein paar Dauben wurden in der Zwischenzeit schon mal ausgewechselt. Dann wird das ganze Fass in seine Einzelteile zerlegt, die betroffene Daube entfernt und durch eine neue ersetzt. Da die einzelnen Hölzer alle eine unterschiedliche Größe aufweisen, ist das Ganze eine Wissenschaft für sich. Eine echte Kunst, so ein Fass in diesem Ausmaß herzustellen.
Jeder Wein braucht unterschiedlich viel Holz
Ausschließlich Rotweine lagern hier. Rotwein braucht immer Holz, so Kellermeister Heinrich Höfflin. Eine Spätlese reift 12 bis 15 Monate hier, teilweise auch länger. Weißweine kommen bei ihm jedoch nicht in die großen Fässer. Diese würden seiner Meinung nach an Frische und Ausstrahlung verlieren. Aber das handhabt jeder Winzer bzw. jede Winzergenossenschaft anders. Weißweine, wie der Pinot Gris oder Pinot Blanc lagern teilweise in 500 Liter-Fässern. Etwa 6 bis 9 Monate. So kann man mit Holz arbeiten, ohne dass die Weine zu arg davon geprägt werden. Sie bleiben frisch und bekommen durch das Holz ein wenig Fülle.
Nicht nur intensiver und kompakter, sondern auch langlebiger
Barrique-Fässer sind noch mal eine ganz andere Liga, betont der Kellermeister. Die Fässer umfassen 220 bis maximal 300 Liter. Hier geht es darum, den Wein mit dem Holzaroma gezielt zu prägen. Insgesamt zweimal werden diese Fässer genutzt. Die Weinexperten bezeichnen es als erste und zweite Füllung. Bei der dritten Belegung wird das Fass vorrangig zum Lagern genutzt. Aber immer gilt: Das Fass muss jedes Mal wieder aufgefüllt werden. Eine Frage der Sauberkeit und Hygiene. Holzfässer dürfen generell nicht leer stehen oder gar eine „Luftblase“ haben. Das bekommt dem Werkstoff nicht gut.
Bei der ersten Füllung sind die Aromen, die den Wein prägen, wesentlich intensiver. Das kommt daher, dass die Barrique-Fässer bei der Herstellung im Inneren „getoastet“ werden. Früher wurden sie mit offenem Feuer ausgebrannt. Somit entstehen die Aromen, die den Wein ausmachen. Das sind insbesondere Kaffee-, Mokka-, Tabak- und Vanillearomen. Tannine geben dem Wein darüber hinaus Alterungs- und Lagerungspotenzial. Er wird durch die Reifung im Barrique nicht nur interessanter und komplexer, sondern auch langlebiger.
Die beste Voraussetzung für Spitzenweine
Die Erstbelegung kann insgesamt also nicht so lange im Barrique-Fass verweilen wie die Zweitbelegung. In der Regel schaut der Kellermeister bei guten Weinen nach etwa 24 Monaten, ob diese abgefüllt werden können. Mancher, wie beispielsweise der 2011er Cabernet Sauvignon Rotwein, ist genau jetzt auf dem Höhepunkt seiner Reife angekommen. Manchmal braucht es einfach noch ein paar Jahre, so Heinrich Höfflin. Verdammt gute Weine sind das Ergebnis dieser Reifungsprozesse.
Edelsüße Weine werden ausschließlich in ganz neuen Barrique-Fässern ausgebaut, sind also immer Erstbelegungen. So erhalten Sie ihr intensives und komplexes Aroma. Das wäre in Stahltanks nicht zu erzielen.
Insbesondere Eisweine, Trockenbeerenauslesen und interessante Rotweine werden in Barrique-Fässern gelagert und finden dort ihre Vollendung.
Das Jonglieren zwischen Holz und Stahl
Heinrich Höfflin liebt das Spiel zwischen Moderne in Form des Edelstahltankkellers und der Tradition in Form des Holzfasskellers. Hier kann er experimentieren, tolle Weine herstellen. Alles, was letztendlich in die Flasche kommt, wird zuerst im Labor im Kleinen ausprobiert. Nur wenn hier die beiden Kellermeister sowie Weinküferin Corina Schmidt zufrieden sind, darf der Wein zur Abfüllung. Absolut faszinierend, wie sich Wein entwickelt und welche Auswirkung der Werkstoff Holz auf das Produkt hat.
Mit den beiden unterschiedlichen Kellern haben die Bötzinger Weinexperten alle Möglichkeiten in der Hand, das Beste aus ihren Weinen herauszuholen. Nicht zuletzt das macht die Faszination an seinem Beruf aus, schmunzelt Kellermeister Heinrich Höfflin.